Alexander Skarsgard im Gespräch mit dem Interview-Magazin
Von: Win Butler
Bilder von: Steven KleinAuszug aus der Titelstory. Das komplette Interview kann man in der Juni/Juli-Ausgabe nachlesen.
"Ich war nervös, als ich zum ersten Mal für True Blood vor der Kamera stand. Wenn man ein Theaterstück spielt oder einen Film dreht, dann kennt man die komplette Charakterentwicklung. Du weißt, wo es alles enden wird. Aber bei einer Serie wie "True Blood", weißt du nie, was passieren wird." -- Alexander SkarsgardWenn es soetwas wie einen Mainstream-Kult gibt, dann zeigt das für Furore sorgende True Blood, die HBO Serie, bei der es um eine Gruppe von wirklich sehr gut aussehenden, aber dennoch zu einer Minderheit gehörenden lebenden Vampiren - wobei das nicht ganz zutrifft, da sie alle untot sind - im dampfigen Hinterland von Louisiana geht, jedenfalls alle Anzeichen. Basierend auf den "The Southern Vampire Mysteries" Büchern von Charlaine Harris, wurde die TV Serie von Six Feet Under Macher Alan Ball entwickelt und begeistert seit ihrer Erstausstrahlung in 2008 eine Zuschauerschaft, die genauso rituell und wild sind wie die blutsaugenden Einwohner von Bon Temps, der fiktionalen Stadt, wo die meisten übernatürlichen Geschehnisse der Serie ihren Lauf nehmen. Die Anziehungskraft? True Blood ist gruftig, frivol, sexy und mutet wie eine Seifenoper an. Es häufen sich Thriller-ähnliche Verkettungen und eine Menge von Camp-Horror ähnlicher Gewalt und bis ins Einzelne in Szene gesetzte Nacktheit. Aber die Serie ist auch klug, auf sich bedacht und Roman-ähnlich angelegt im Erzählen ihrer Geschichten. Und wenn man die ganzen Action unverschleiert zu sehen bekommt, dann merkt man, dass diese "Fangoria" mehr ist als sie zu sein scheint - es geht vordergründig um Vampire aber auch um amerikanische Geschichtsträchtige Themen. Aber die große Stärke von True Blood als ein Kunstwerk ist es, während man nach dem tieferen Sinn sucht, wird man dessen niemals überdrüssig. Es wird immer genügend Adrenalin ausgeschüttet, genügend Drama, Haut und Blut gezeigt, um auch die dämonischsten aller Wesen, die seit Jahrhunderten umher wandeln, im detailreichen Ruhm des Moments festzuhalten.
Als die Verkörperung von Eric Northman, dem jahrtausende alten Wikinger-Vampir, der eien Vorliebe für seidene Gewänder hat und stark beschäftigt ist mit seiner Arbeit als Sheriff und Nachclubbesitzer, ist der 34jährige Schwede Alexander Skarsgard zum Zentrum des True Blood Rummels avanciert. Skarsgard's Darstellung von Northman ist komplex und launenhaft, er ist ein Opportunist, der sexuell gesehen nicht wählerisch ist: Menschen, Vampire, Männer, Frauen, eine estnische Stangentänzerin und eine Fee haben alle seinen Appetit angeregt. Sein Club, Fangtasia (inklusive der im Keller befindlichen Folterkammer) ist ein beliebter Anlaufpunkt für Stelldicheins zwischen den einzelnen Spezies.
Obwohl Skarsgard bereits 2001 in "Zoolander" zu sehen war, kam sein Durchbruch in Amerika in 2008, als in der von Kritikern hochgelobten HBO Miniserie "Generation Kill" mitspielte und dort einen US. Marine-Offizier verkörpert, der Armeecorps beim Einmarsch in den Irak in 2003 anführte. (In einem mehr dem Zeitgeist enstprechendem Moment sah man ihn auch in Lady Gaga's video zu "Paparazzi", einer Darstellung der zerstörerischen Natur des Ruhms, in dem er einen muskelbepackten blonden Liebhaber spielt, der sie über eine Balkonbrüstung wirft.)
Zusätzlich zur Premiere der vierten True Blood Staffel am 26. Juni, wird Skarsgard neben Kirsten Dunst, Charlotte Gainsbourg und Kiefer Sutherland in Lars von Trier's aktuellem Film "Melancholia" zu sehen sein, der sein Debut gerade in Cannes hatte. Zwei weitere große Filmprojekte warten auf ihn im kommenden Jahr. Zunächst ist da Rod Lurie's Remake von Sam Peckinpah's bahnbrechenden "Straw Dogs", wo er an der Seite seiner Freundin Kate Bosworth zu sehen sein wird. Der zweite Film is Peter Berg's "Battleship" und ist ein big-budget Sommer-Action-Streifen zum Hasbro Brettspiel ("Du hast mein Schlachtschiff versenkt!"). Außerdem ist geplant, dass er mit der Arbeit an Scott McGehee's und David Siegel's neuer Adaption des Henry James Romans "What Maisie knew" beginnt, wo er an der Seite von Julianne Moore und Steve Coogan spielen wird. "Straw Dogs" soll im September erscheinen; "Battleship nächsten Sommer.
Win Butler, dem Liedsänger der Band Arcade Fire ist das Thema des eigenartigen Mainstream-Kults nicht fremd. Er ist auch ein großer True Blood Fan und freute sich sehr, mit Skarsgard zu sprechen, während eines Tourstops in Los Angeles auf dem Weg nach Austin, Texas.
WB: Das ist wie ein Telefondate.
AS: Fühlt sich an wie ein Blinddate. Speed Dating.
WB: Was ist Dein Sternezeichen?
AS: Ich bin Jungfrau, und Du?
WB: Ich bin Widder.
AS: Echt? Aber ich glaube nicht wirklich an Sternzeichen.
WB: Ich auch nicht, aber unser Bassist kann die Sternzeichen von Leuten bestimmen, wenn er ihnen zum ersten Mal begegnet. Das ist wirklich beeindruckend.
AS: Echt? Meine Mutter kann das Geburtsdatum aufgrund einer Email bestimmen.
WB: Wow. Ich will mit ihr ein Interview machen. Bist Du im Moment in L.A.?
AS: Ich bin außerhalb von L.A. Wir drehen grade True Blood. Wir sind gerade in der Mitte von Staffel 4.
WB: Warst Du schonmal in Louisiana, wo die Serie spielt, oder wird alles in einem nachempfundenen Set gedreht?
AS: Wir drehen in Hollywood, 60 % in einem Set und 40 % draußen. Aber alle Drehorte sind um L.A. herum. Wir drehen auch manchmal in Malibu oder Long Beach. Ich habe schon Filme in Louisiana gedreht, aber witzigerweise war ich nie dort für die Serie.
WB: Musstest Du irgendwann mal nach Louisiana, um über Vampire und ihre Lebensweise dort zu recherchieren?
AS: Na klar, denn sie leben alle in Louisiana [beide lachen]. Nein, musste ich nicht. Ich habe den Job bei True Blood bekommen, als ich gerade in Afrika war und für die HBO Miniserie "Generation Kill" vor der Kamera stand, so dass ich nicht viel Zeit hatte, mich mit der Hintergrundgeschichte zu beschäftigen. Eigentlich ging es für mich direkt vo nder Kalahari Wüste nach L.A., um mit den Dreharbeiten für die Serie zu beginnen. Das war vor 4 Jahren.
WB: Das ist verrückt.
AS: Ja, das war es. Ich hatte nicht wirklich Zeit, mich mit dem Leben in Louisiana auseinander zu setzen. Aber vor zwei Jahren habe ich einen Film in Shreveport gemacht und verbrachte dort drei Monate und vergangenes Jahr war ich noch wegen Dreharbeiten in Baton Rouge.
WB: Die Familie meiner Frau stammt von Haiti, aber aufgewachsen ist sie in Quebec. Eines Tages haben wir eine Dokumentation über Zydeco Musik angeschaut und das schwarzen Kreolen in Louisiana. Sie ist total ausgeflippt, denn das Französisch in Louisiana ist ein exakter Mix aus dem haitischen Kreolisch und dem Französisch, das man in Quebec spricht. Es ist diese bizarre Kombination, die genau auf ihre Geschichte zutrifft. Das ist, als würde ein Schwarzer mit Cowboyhut diesen komischen Akzent sprechen.
AS: Ich weiß. Als wir in Shreveport gedreht haben, fuhr ich mit ein paar Freunden nach Lafayette, weil dort ein großes Zydeco Musikfestival stattfand. Wir waren dort zwei Tage und tanzten zu Zydeco Musik und aßen gegrillten Alligator... Es war das verrückteste Festival, dass ich je besucht habe, aber ich habe es gliebt.
WB: Wann kamst Du das erste Mal in die Staaten?
AS:1984. Mein Vater ist auch Schauspieler (Stellan Skarsgard) und arbeitete beim Film. Du kommst aus Texaxs und Montréal, stimmts?
WB: Ja, aber bin hauptsächlich in Houston aufgewachsen.
AS: Ich habe zwei Monate in Fredericksburg, Texas, verbracht, als ich 8 war, während mein Vater einen Film drehte und ich hab's geliebt. Mir hat die ganze Cowboy-Kultur gefallen. Ich kaufte mir ein paar wirklich tolle Stiefel und einen Cowboyhut. Im September ging ich dann zurück nach Schweden und musste wieder zur Schule und ich war so stolz auf meine Cowboystiefel. Meinen Eltern erklärte ich: "Ich werde die hier heute zur Schule tragen und alle Kinder in der Schule werden mich lieben. Ich werde der coolste an der Schule sein." Und dann kam ich an und jeder sagte: "Oh man, warum trägst Du denn Mädchen-Stiefel?" Das Ganze hat in Schweden nicht wirklich funktioniert. Ich habe sie nur diesen einen Tag getragen, rannte heim un heulte und habe sie nie wieder angezogen.
WB: Ich hatte den entgegen gesetzten Kulturschock, denn ich bin im Winter von Texas zurück nach Montréal gezogen. Das war also auch eine ziemlich harte Umstellung: eine französisch sprechende Kultur und ein gänzlich andere Jahreszeit.
AS: Ich war nur ein Mal in Montréal, aber es war eine zauberhafte Stadt. Ich ging in diesen einen Park, ich kann mich nicht mehr an seinen Namen erinnern, aber es gab dort diese große Drum Session jeden Sonntag.
WB: Oh genau - auf dem Berg. Naja, wir nennen es einen Berg, obwohl es eher ein Hügel ist.Du meinst den Mount Royal Park. Jeden Sonntag lassen dort Kinder den Schwertkampf wieder aufleben. Sie kleiden sich mittelalterlich und kämpfen gegeneinander. Es ist das typischste, was ich mit Montréal in Verbindung bringe - supersüß und ein bisschen befremdlich. Wenn Du jemals wieder herkommst, dann gehen wir da zusammen hin. Du könntest Dich in Deine Vampirkluft schmeißen und dann zeigen wir es den mittelalterlichen Kriegern.
AS: Wunderbar, denn ich habe das Zeug immer bei mir. Ich habe immer eine Tasche mit meinen Gummi-Fangzähnen und meinem schwarzen Umgang dabei.
WB: [lacht] Bist Du es leid, einen Vampir zu spielen? Oder macht es Dir immernoch Spaß?
AS: Nein, es macht immernoch Spaß. Ich glaube, die Drehbücher der Serie sind so gut, dass sie mich bei der Stange halten. Ich war nervös, als ich zum ersten Mal für True Blood vor der Kamera stand. Wenn man ein Theaterstück spielt oder einen Film dreht, dann kennt man die komplette Charakterentwicklung. Du weißt, wo es alles enden wird. Aber bei einer Serie wie "True Blood", weißt du nie, was passieren wird. Wir drehen gerade Staffel 4 und ich weiß jetzt noch nicht einmal, wie diese enden wird, denn sie schreiben daran, während wir schon drehen. Deshalb war ich sehr nervös. Ich hatte keine Vorstellung davon, wie es sein würde, mit einer Figur mehrere Jahre leben zu müssen, denn das hatte ich zuvor noch nie gemacht. Was ist, wenn du nach zwei Jahren aufwachst und denkst: "Oh mein Gott. Mir hängt der Kerl zum Hals raus." ? Aber die Drehbücher sind sehr gut und überraschen mich immer wieder. Dazu kommt, dass wir immer nur sechs oder sieben Monate drehen und wir Zeit haben, auch noch andere Dinge zu machen. Das gibt mir die Chance, nicht nur nach Hause zu kommen, um meine Familie zu sehen, sondern auch an anderen Filmen zu arbeiten oder ein Theaterstück zu machen, wo ich in eine andere Welt eintauchen kann und dann mit neuer Frische zurück zu True Blood kehre.
WB: Wie lange dauern die Dreharbeiten für diese Staffel noch?
AS: Wir werden Ende Juni damit fertig sein, vielleicht Anfang Juli. Dann wird es wahrscheinlich bis zum Ende des Jahres eine Drehpause geben.
WB: Verrate nichts, denn ich muss immernoch fünf Folgen der letzten Staffel anschauen, aber es ist unglaubelich, wie sich die Figuren entwickelt haben. Gerade wenn du glaubst, jetzt weißt du wo der Hase langläuft, ergeben sich wieder neue faszinierende Beziehungskisten unter den Charakteren.
AS: Was mich nervt ist, dass die Leute den Charakteren einen Stempel aufdrücken, sie in eine Schublade stecken wollen. Sie wollen es sich selber leicht machen, in dem sie sagen können: "Okay, das hier ist der Gute und das ist der Böse und dann ist hier noch das Mädchen. Jetzt habe ich es verstanden." Aber was mir an unsere Serie gefällt ist, wenn man z.B. Eric zum ersten Mal begegnet, dann denkt man sofort, der muss der Bösewicht sein, der Böse. Aber dann, wenn man ihn langsam besser kennenlernt, wird einem klar, dass viel mehr hinter diesem Charakter steckt als das. Er ist nicht ein-dimensional. Die Welt teilt sich nicht einfach in gut gegen böse. Ich bin überzeugt, dass wir alle beides in uns haben. Das heißt für mich ist es spanneneder, wenn der Held mal etwas tut, das mich nicht begeistert und der Böse etwas tut, mit dem ich identifizieren kann.