Der Tod steht ihr gut
Anna Paquin hat die beste Zeit ihres Lebens
Das Küssen von Vampiren in True Blood hat Anna Paquin zu einer kulturellen Ikone werden lassen. Mit The Stylist spricht sie über die kontroverse Serie
Von einer Fernsehserie mit Vampiren, Werwölfen und Barkeepern, die sich in Hunde verwandeln können, sollte man nicht erwarten, daß sie Kult für Erwachsene ist. Künstliches Blut, Fangzähne und Haut, die in der Sonne verbrennt, sind Handlungsinhalte, die theoretisch nur den spätpubertierenden Teenagern vorbehalten sind. Aber wenn man eine Hotpant-tragende, telepathische Kellnerin (Sookie Stackhouse), einen 174 Jahre alten Südstaaten-Gentlemen (Bill Compton), der einen sexuellen Zauber auf sie wirkt, einen mächtigen 1,94m großen Vampir-Sheriff und das sexieste TV-Liebesdreieck ins Gespräch bringt, beginnt man zu erkennen, warum True Blood etwas für uns Erwachsene ist.
Dann gibt es eine unglaublich stylische Filmkunst (allein der Vorspann sieht aus wie ein Gemälde von Hieronymus Bosch), Plotlines, die gleichzeitig von Politik (wenn auch fiktionaler; die Serie spielt nach der Vampirrechts-Gesetzesänderung, die den Vampiren erlaubt, in den Staaten und Skandinavien frei zu leben), populärer Kultur (Angelina Jolie hat angeblich ein Vampir-Baby adoptiert) und der Sorte von wildem, realistischem Sex handelt, den man wahrscheinlich noch nie so im Fernsehen sehen konnte. Und plötzlich hat man eine Serie, die - kurz vor der Ausstrahlung der vierten Staffel - das Fernsehen revolutioniert hat.
Tatsächlich hat sie bei ihrer Veröffentlichung vor drei Jahren in den USA Schockwellen durch das eher konservative Land geworfen, dank seiner grafischen Sex-Szenen, Nacktheit und einem kaum verborgenen politischen Unterton - Vampir-Hetzkampagnen stehen für Homophobie und Rassismus (im Vorspann sieht man das Schild `Gott hasst Fangzähne´). Inzwischen ist es Kult für 2 Millionen Zuschauer in UK, die erste Staffel erbrachte 17 Mio. $ in der ersten Woche der USA DVD-Verkäufe, sie hat ihre eigene Schmuck- und Make Up- Linie und die Darsteller sind weltweit Stars geworden.
Der Erfolg von True Blood ist vielleicht weniger überraschend, wenn man erfährt, daß der Mann hinter der Show Alan Ball ist; das Genie, das den ebenso düsteren Oscar-prämierten Film American Beauty und die mehrfach ausgezeichnete Serie Six Feet Under geschrieben hat. Ball hat ein Talent für herausfordernde Konventionen und die Grenzen der Zuschauer auszureizen; und die unsterblichen Vampire, die eine unglaublich potente sexuelle Energie besitzen, mit denen sie Menschen in einen drogen-ähnlichen Rausch versetzen können, sind das perfekte Mittel für seine dunkle und süchtig-machende Vision.
Die Serie hat auch ihrem 29-jährigem Star Anna Paquin für ihre brilliante Darstellung der naiven, tugendhaften Kellnerin zu danken, die es ablehnt, den Vampiren um sie herum als Opfer zu dienen. Sie hat die Zuschauer weltweit bezaubert - vor und hinter der Kamera. Ein paar Monate nach Beginn der Dreharbeiten begann die Schauspielerin ihren Co-Star Stephen Moyer zu daten, und sie teilten ihren ersten Kuß auf dem Bildschirm. Ein Jahr später machte ihr Stephen, 41, an einem Strand auf Hawaii einen Antrag, und sie heirateten im August 2010 in Malibu. Seitdem hat Anna freizügig über ihre Beziehung geredet: "Vielleicht sollte es seltsam sein, anregenden Sex mit seinem Ehemann vor so vielen Leuten zu haben," sagte sie. "Aber das ist es nicht. Wenn man eine Liebesszene macht, mit jemanden, den man liebt, gibt es kein `Kann ich ihn hier oder hier berühren? Du weißt, wo deine Grenzen sind - oder wo sie nicht sind."
Letztes Jahr enthüllte Anna bei einer Kampagne für den True Colors Fund, einer Gruppe für die Rechte von Homosexuellen, daß sie bisexuell ist. Keine Überraschung, daß Stylist die Gelegenheit wahrnahm, die talentierte Blondine zu treffen um über die vierte Staffel von True Blood zu sprechen. Leider trug sie weder die Hotpants und das Merlotte`s Bar&Grill T-Shirt, noch eine Pistole oder die Bißspuren, als wir sie im Four Seasons Hotel in Beverly Hills trafen. Stattdessen trug sie ein leuchtendes, plissiertes lila Michael Kors- Kleid und trank Mineralwasser. Anna, die mit 11 die zweitjüngste Oscar-Gewinnerin für eine Nebenrolle in "Das Piano" war, ist sofort smart und witzig. Mit nur noch einem Hauch ihres Kiwi-Akzents (sie zog mit 16 von Neuseeland nach Los Angeles) ist die Schauspielerin normalerweise sehr zurückhaltend, was ihre Karriere, insbesondere den Oscar, betrifft: "Ich war einfach nur ein Kind, das in einem Film mitgespielt hat."
Aber Hollywood kam und wollte mehr. Anna wurde 1996 als die junge Jane in Franco Zeffirelli’s
Jane Eyre gecastet. Es folgten Blockbuster-Rollen wie Steven Spielberg´s Sklaven-Epos
Amistad, Cameron Crowe´s
Almost Famous, im Jahr 2000
X-Men und Anna blieb im Rampenlicht. Anders als andere Hollywood-Kinderstars wie Drew Barrymore und River Phoenix schaffte sie es, nicht unter dem Druck des Kindheits-Ruhms zusammenzubrechen.
Und das kann man sehen. Anna hat eine Leichtigkeit und Charme, über den nur erfahrene Schauspieler verfügen. Persönliche Themen werden freundlich und höflich und ohne eine Andeutung von Hollywood-Arroganz hin und her diskutiert. Tatsächlich ist das einzige Thema, das sie ausdrücklich ablehnt, über Stephen´s Kinder zu reden.
Aber selbst wenn sie es nicht laut herausposaunt, ist Anna eindeutig, nachdrücklich verrückt nach ihrem Ehemann, oftmals mit ihren dunkel getönten silber und diamantfarbenen Verlobungs- und Eheringen spielend, während wir über ihre Karriere und ihre Ehe sprechen. Wie Anna sind sie einzigartig, schön und ganz weit entfernt von der üblichen Hollywood-Verpackung.
Du hast gerade deinen ersten Hochzeitstag gefeiert, die fünfte Staffel True Blood wurde eben in Auftrag gegeben, und du hast vier Filme, die in die Kinos kommen. Ist das die beste Zeit deines Lebens?Das ist definitiv eine fantastische Zeit für mich, privat wie professionell. Es kommen viele Dinge auf eine tolle Weise zusammen, und ich bin unglaublich glücklich. Wir wissen alle, daß es nicht immer so brilliant laufen kann. Es gibt immer schlimmere Zeiten. Aber dies ist einer dieser wirklich guten Momente.
Fandest du es jemals schwierig, mit Stephen verheiratet und vor der Kamera romantisch verbandelt zu sein?Überhaupt nicht. Wir haben ein Leben ausserhalb der Serie. Und ich habe die Chance, meinen Mann die ganze Zeit zu sehen, anstatt wegen einem Film in irgendeinem Land festzusitzen und ihn 5 Monate nicht sehen zu können.
Nichtsdestotrotz muß es erfrischend sein, mit dem Charakter von Eric (Alexander
Skarsgard) in der vierten Staffel eine neue Liebesbeziehung zu haben?Natürlich. Es wäre ja langweilig, wenn alle Charaktere Staffel über Staffel nur mit einer Person glücklich zusammen zu sind. Es muß Konflikte geben, es muß Tiefpunkte geben, ein paar neue Leute, und diese Staffel ist es der große Schwede. Er ist riesig - 1,94 Meter.
Den Büchern von Charlaine Harris zufolge (auf denen die Serie basiert) sollst du eine explite Szene in der Dusche haben.Nun, in den Büchern gibt es eine sehr detaillierte Begegnung in der Dusche. Unser Boss hat bestätigt, daß es eine Szene in der Dusche mit Sookie und Eric geben wird, die Einzelheiten sind aber noch vertraulich. Es könnte Alles sein!
True Blood hat ziemlich intensive Fans. Wie kommst du damit zurecht?
Ich habe früh mit der Schauspielerei angefangen, deshalb habe ich einen kleinen Vorsprung. Es war damals nicht so verrückt wie heute, aber ich erinnere mich nicht ganz daran, wie es vorher war. Ich bin früher nicht so häufig erkannt worden, aber es ist doch gelegentlich passiert. Um ehrlich zu sein, ich kümmere micht nicht mehr wirklich darum. Wenn ich mit Freunden unterwegs bin, werden sie etwas beschützerisch und fragen `Wollen wir weiter? Die Leute da starren uns an!´ und ich sage `Nein, alles okay´.
Selbst wenn die Fans aufdringlich werden und Fotos mit ihren Handys machen?Hmm, das finde ich etwas seltsam. Ich meine, ich bin jemand mit guten Manieren, und sowas finde ich nicht sehr höflich. Wenn man die Arbeit von Jemandem mag und ein Foto machen möchte, warum fragt er nicht einfach?
Vielleicht haben sie Angst, daß du Nein sagst?Ich habe nur ein- oder zweimal Nein gesagt in meinem Leben. Das eine Mal davon habe ich geweint. Ich dachte:`Oh Gott, ich versteh das Alles nicht. Ich bin keine unfreundliche Person oder hochnäsig, aber ich heule hier in mein Telefon, kann ich nicht einfach mal meine Ruhe haben?´ Weißt du, es ist wie es ist. Ich will nicht bemitleidet werden, aber ich würde nie auf jemanden zugehen, wenn er weint, und etwas anderes fragen als: `Kann ich dir ein Taschentuch geben?´ So bin ich erzogen worden.
Du bist in Neuseeland aufgewachsen. Hat das geholfen, die Bodenhaftung zu behalten?Wenn man in Neuseeland aufwächst, kümmert man sich um das, was man hat. Ich denke, dieser Aspekt war hilfreich. Wenn die Leute wegen Irgendetwas überschwänglich werden, kann ich darüber nur lachen. Ich bin nicht jemand, der grundsätzlich daran glaubt, wenn ich ein Kompliment bekomme. Ich bin immer etwas ungläubig. Ich kann oftmals sagen:`Du kennst meine Arbeit nicht, du kennst mich nicht, woher willst du wissen, daß du mich magst?` Es ist, als würde man meine Füße küssen, weil man meint, daß es erwartet wird. Ich kann da höflich annehmen, aber ich mache deswegen keine Freudensprünge.
War der Golden Globe für die beste Schauspielerin in einer Fernsehserie (2009 für True Blood) befriedigender?In gewisser Weise ja. Mir ist bewußt geworden, daß für meine Arbeit ausgezeichnet zu werden mich fühlen läßt, als hätte ich etwas erreicht. Bei dem Oscar für "Das Piano" wußte ich gar nicht, warum Alle daraus so einen Wirbel gemacht haben. Ich ging einfach zum Set und habe gemacht, was man mir gesagt hatte. Als Erwachsener diese Anerkennung zu bekommen fühlt sich viel mehr so an, als ob es mir gehört; das ist ein Verdienst, den ich mir erarbeitet habe. Ich arbeite sehr hart, vielen Dank dafür. Ich habe es nicht erwartet, ich habe es nicht gebraucht, aber schönen Dank. (lacht).
Als die Serie erfolgreicher wurde, hast du bei einem ikonischen Fotoshooting (Anna, Stephen und Alexander Skarsgard nackt und blutüberströmt auf dem Cover der August 2010 Ausgabe des Rolling Stone Magazine) mitgemacht. Hast du Spaß an sowas?Ich liebe solches Zeug. Es ist pure Fantasie;zurechtmachen, tolle Kleider, fantastische Locations. Ich denke, Kleider erzählen eine Geschichte für sich. Und es ist ein weiteres Werkzeug, das wir als Schauspieler haben, um unseren Charakter besser darzustellen. Mir hat dieser Aspekt dabei immer gefallen. Ebenso, wie kurz deine Nägel sind und wie praktisch deine Kleidung ist. All diese Dinge sind ein wichtiger Faktor, um den Zuschauern einen Eindruck zu geben, wer diese Person ist, die man darstellt. Es ist nicht so, daß es nur um Ästhetik geht, aber es macht einen großen Teil visueller Erzählung aus. Und ich finde es sehr interessant, die Vorstellung der Leute zu manipulieren, damit sie in einer bestimmten Weise mitfühlen.
Was steht als Nächstes auf dem Programm?Ein Indie-Film namens "Straight A´s", die keinen Sinn ergibt bis man das Skript gelesen hat. Ich spiele zusammen mit Ryan Philippe, der unglaublich talentiert ist. Ich denke, er wird fantastisch. Ich glaube, die Leute wissen seine Leistung als ernsthafter Schauspieler nicht genug zu würdigen. Er ist fantastisch.
Wer sind deine Lieblings-Designer?Ich habe Alexander McQueen geliebt. Mir gefällt, was Sarah Burton jetzt mit dem Modehaus macht. Ich habe eins ihrer Kleider bei den Emmys (2010) getragen, kurz nachdem er verstorben war, und dann konnte ich sie in London treffen, und sie hat mich im Modehaus herum geführt. Es war wahnsinnig toll.
Hast du ihn je getroffen?Leider nein. Aber ich habe viele seiner Kleider getragen und war immer ein großer Fan. Sein Vermächtnis ist ziemlich kantig, aber sehr kompliziert feminin, eine Kombination, mit der nicht Jeder umgehen kann. Ich denke, Sarah Burton wird so weitermachen. Ich konnte Einiges von dem sehen, mitten in der Vorbereitung auf die nächste Modenschau. Es gab diese komplizierten Schuhe, die aus Gips geformt waren, es war unglaublich.
Was denkst du über Kate`s Kleid?Machst du Witze? Es war prachtvoll. Einfach hinreißend. Ich meine, es ist eine völlig neue Auffassung von "Royal".
Stephen stammt aus dem UK, und du hast auch ein Haus in London. Wirst du jetzt Britin ehrenhalber?Ich liebe es, daß man keinen Stein in London werfen kann, ohne ein indisches Restaurant zu treffen. Das ist das erste, was wir machen, wenn wir wieder in London sind, ein wirklich gutes Curry zu essen. Jetzt hab ich wirklich Lust auf indisches Essen. Unser Haus ist in der Nähe von Hampstead Heath, und wenn die Sonne scheint, gibt es nichts Schöneres. Ich mag auch jede andere Stadt, die ein gutes öffentliches Verkehrssystem hat, denn man kann augenblicklich herumfahren, Plätze besuchen und Abenteuer erleben.